Berufliche Orientierung

in der medizinischen Rehabilitation

MBOR für körperlich tätige Arbeiterberufe

Salzetalklinik Bad Salzuflen

Indikation

Orthopädie

Ziele

Das MBOR-Programm der Salzetalklinik Bad Salzuflen für körperlich tätige Arbeiterberufe hat folgende Ziele für die Teilnehmer:

  • Körperliche Funktionsverbesserung des muskuloskelettalen und Herz-Kreislauf-Systems
  • Verbesserung der individuellen Arbeitsbewältigung
  • Bewusstmachung von ergonomisch gutem Bewegungsverhalten in der Arbeitssituation
  • Unterstützung bei der Bewältigung von meist chronischen Krankheitsverläufen und Kompe-tenzförderung
  • Schmerzreduktion

Durch diese Ziele sollen (weitere) Arbeitsunfähigkeitszeiten vermieden und die Erwerbstätig-keit/Erwerbsfähigkeit aufrechterhalten werden.

Inhalte und Ablauf

Das MBOR-Programm orientiert sich an dem RehaBau-Programm für Bauhandwerker. In Abgrenzung dazu hat das MBOR-Programm der Salzetalklinik aber eine stärker tertiärpräventive Ausrichtung und ist nicht auf Bauhandwerker beschränkt, sondern für alle körperlich tätigen Arbeiterberufe offen. Somit passt es besser zur Heilverfahren-Zielgruppe der Deutschen Rentenversicherung. Das Screening und die Auswahl der Patienten finden beim hier beschriebenen MBOR-Programm in der Salzetalklinik nach der Trägerzuweisung und vor der Einbestellung statt. Somit erreicht das MBOR-Programm einen breiten Teilnehmerstamm und ist unkompliziert bei der Planung und Durchführung der geschlossenen Gruppen. Die Teilnehmerzahl sollte bei etwa 8 bis 12 (max. 14 Teilnehmern) liegen.

Als Gruppen- bzw. Kursleiter fungiert ein Sport- und Physiotherapeut mit einer speziellen Ergonomie-Weiterbildung und Schulung in (partizipativer) Vermittlungsmethodik. Er führt die gesamten physio- und sporttherapeutischen Behandlungselemente inklusive Ergonomietraining durch. Zur Verzahnung mit den anderen beteiligten Professionen und der gemeinsamen Entwicklung von individuellen, bedarfs- und bedürfnisgerechten Lösungen findet eine interdisziplinäre Teamvisite statt. Dadurch lassen sich Therapien patientenorientiert, bedarfsadäquat und zeitnah einleiten, Schnittstellen minimieren sowie die Ressourcenallokation besser steuern. Eine berufsbezogene Motivationsförderung erfolgt durch alle beteiligten Berufsgruppen.

Einzelne zentrale Bestandteile der Maßnahme werden im Folgenden genannt, wobei betont werden muss, dass weitere (Begleit-)Maßnahmen immer mit dem Blick auf das individuelle Belastungs- und Beschwerdespektrum verordnet werden:

Ergonomietraining. Das Ergonomietraining findet zweimal wöchentlich jeweils mit einer Stunde Theorie und einer Stunde Praxis auf einer Übungsbaustelle (siehe unten) statt. Die Praxis folgt unmittelbar auf die Theorie, so dass Besprochenes unmittelbar aktiv angewendet und erprobt werden kann. Eine Optimierung des Arbeitshandelns wird durch die ergonomischen Übungen mit den Teilnehmern angeregt. Es bieten sich Diskussionsanlässe, die über den Austausch in der Gruppensituation eine Reflektion des eigenen Handelns sowie selbständiges Mitdenken fördern sollen. Die Teilnehmer fungieren dabei als Experten für ihren Arbeitsalltag, ihre Arbeitsplatzbelastungen und Arbeitsplatzanforderungen, der Gruppenleiter als Experte für die Bewegungsabläufe in den Arbeitssituationen. Wegen der unterschiedlichen Beschwerdebilder gilt es, für jeden Teilnehmer individuelle Lösungen und Bewältigungsstrategien zu entwickeln.

Aus den folgenden Elementen können unterschiedliche, an die berufliche Tätigkeit der Teilnehmer angepasste Schwerpunkte gebildet werden, wobei sich verschiedene Trainingsintensitäten erreichen lassen:

  • berufsbezogene Motivationsförderung (über Zielformulierungen, die sich an den individuellen arbeits- und berufsbezogenen Problemlagen orientieren, im Austausch mit dem Therapeuten im Rahmen des Ergonomietrainings)
  • Analyse des Arbeitsplatzes und der beruflichen Belastungen
  • Besprechung von Bewegungsabläufen bei der Arbeit/Vermittlung ergonomischer Kenntnisse
  • Tipps zum Heben und Tragen unterschiedlich großer und schwerer Gegenstände im Berufsalltag
  • Tipps zur Vermeidung von Zwangshaltungen im Berufsalltag
  • Techniken der Lastenmanipulation
  • Training der besprochenen Bewegungsabläufe auf der Übungsbaustelle
  • Tipps zur Vermeidung von Stress im Berufsalltag
  • Tipps zur Einrichtung des Arbeitsplatzes
  • Besprechung von Werkzeugen und Hilfsmitteln
  • Abschätzen von Gewichten
  • Besprechung von Arbeitskleidung und deren Funktionen
  • Trainings-, Lockerungs- und Entspannungsübungen am Arbeitsplatz
  • Anregungen, regelmäßig Ausgleichssport zu betreiben

Nach Einwilligung der Patienten kann eine Video-Analyse der Bewegungsabläufe im Prä-Post-Vergleich erstellt und im Theorieteil diskutiert werden.

Die praktischen Ergonomieübungen finden auf einer eigens dafür eingerichteten Übungsbaustelle statt. Die Übungsbaustelle befindet sich auf dem Parkgelände der Klinik, ist überdacht und witterungsgeschützt. Für die Übungen stehen diverse Materialien (Balken, Spanplatten, Steine, Heizkörper etc.), Hilfsmittel (Schubkarren, Werkzeuge etc.) oder entsprechende Platzhalter zur Verfügung. Die Teilnehmer werden bereits im Einladungsschreiben darauf hingewiesen, Arbeitskleidung mitzubringen.

Stressbewältigung. Neben den physischen Belastungen stellen psychische Komponenten wesentliche Begleitfaktoren dar, die die Gesamtsituation negativ beeinflussen können. Arbeiterberufe sind mit immensem Stress verbunden. Daher wird ein Stressbewältigungsprogramm durchgeführt, welches die Identifikation, das Erleben sowie den Umgang von und mit Stresssituationen im Alltag und an der Arbeit thematisiert. Die theoretische Grundlage zu den wöchentlichen Gruppenterminen bildet ein einführender Stressbewältigungsvortrag. Individuelle psychologische Einzelgespräche können bei darüber hinausgehendem Bedarf stattfinden. Das Screening dafür erfolgt durch den Psychologen in der Teamvisite oder über die Gruppentermine. Ergänzend werden verschiedenen Entspannungstrainings (bspw. progressive Muskelrelaxation) oder Vorträge (z. B. Schmerzbewältigung) angeboten (s.u.).

Teamvisite. Die Teamvisite findet nach den ersten fünf Behandlungstagen statt und hat den Charakter einer erweiterten Eingangsvisite. Daran nehmen Chefarzt/Oberarzt, Sport-/Physiotherapeut (Gruppenleiter), Sozialberater, Psychologe (bei Bedarf) und ein externer Arbeitsmediziner teil. Eine Vor- und Nachbesprechung findet jeweils ohne Patienten im Reha-Team statt. Patienten haben sich in der Regel in den ersten Tagen institutionell akklimatisiert und sind auch bei den Therapeuten bekannt, so dass Ziele und Therapien definiert und/oder adaptiert werden können. Darüber hinaus ist die Teamvisite als diagnostisches Instrument zu verstehen: Arbeits- und berufsbezogene Probleme können präzise erfasst und weitere Maßnahmen rasch eingeleitet werden. Individuelle Termine in der Sozialberatung werden bedarfs- und bedürfnisadäquat anberaumt. Die Expertise der Sozialberater dient somit einer verbesserten Ressourcensteuerung: Bearbeitungszeiten lassen sich von weniger beratungsintensiven Fällen auf komplexe Fälle mit hohem Beratungsbedarf umverteilen. Eventuelle Fehlplanungen können durch die fachliche Einschätzung der Sozialberater nahezu ausgeschlossen werden. Dazu profitiert die Sozialberatung unmittelbar von der ärztlichen Einschätzung des Belastungsspektrums bzw. des voraussichtlichen positiven und negativen Leistungsvermögens der Rehabilitanden. Umweltbezogene Kontextfaktoren wie Arbeitsplatzbedingungen und -anforderungen werden mit dem Arbeitsmediziner erörtert. Personenbezogene Faktoren werden in Rücksprache mit den Patienten erhoben.

Sozialberatung. Ergänzend zu den bedarfsgeleiteten und durch die Sozialberater in der Teamvisite angeregten Beratungen bestehen Vorträge zum Schwerbehindertenrecht und zur sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung. Ebenfalls besteht die Möglichkeit einer Rentenberatung im Hause.

Die Häufigkeit und Dauer der einzelnen Elemente ist wie folgt:

  • Ergonomietraining: 2 x pro Woche Ergonomie Theorie, je 60 Minuten; 2 x pro Woche Ergonomie Praxis, je 60 Minuten (über gesamte Reha);
  • Stressbewältigung: einmaliger Vortrag; Gruppe 1 x pro Woche, 60 Minuten (über gesamte Reha);
  • Teamvisite: 1 x pro Reha nach 5 Behandlungstagen (ohne Zeitangabe);
  • Sozialberatung und Psychologie: Einzeltermine nach Bedarf.

Der Ablauf der Maßnahme ist in Abbildung 1 zusammenfassend dargestellt (Anklicken zum vergrößern).

Ablauf MBOR für körperlich tätige Arbeiterberufe Abbildung 1: Maßnahme „MBOR für körperlich tätige Arbeiterberufe“ in der Salzetalklinik Bad Salzuflen

Zielgruppe

Das MBOR-Programm richtet sich an orthopädische Heilverfahrenspatienten mit besonderen beruflichen Problemlagen und einer körperlichen Arbeitertätigkeit. Die Maßnahme wird nicht durchgeführt bei fehlender Motivation des Rehabilitanden hinsichtlich einer [bzw. dieser] berufsbezogenen Rehabilitation in festen Gruppen sowie bei unzureichender körperlicher Belastbarkeit.

Beteiligte Berufsgruppen und Ausstattung

Arzt; Psychologe; Krankengymnast/Physiotherapeut; Ergotherapeut; Sozialarbeiter/Sozialpädagoge; Arbeitsmediziner. Ausstattung: Für die Durchführung der Maßnahme ist eine Übungsbaustelle mit Ausstattung erforderlich (siehe oben).

Literatur

  • Preßmann, P.F. (2012). Evaluation der Nachhaltigkeit einer berufsorientierten Rehabilitation am Beispiel des RehaBau-Projektes für Bauhandwerker (NABEOR). In Verein zur Förderung der Rehabilitationsforschung e.V. Norderney (Hrsg.), VFR-Forschungsbericht. Ausgabe 2012 (S. 36-37). Norderney: Eigenverlag.
  • Preßmann, P.F., Gämmerler-Schulte, H., Philipp, J., Leibbrand, B., Hauck, A. & Bachmann, S. (2013). Erfolgsfaktoren für die berufliche Integration bei medizinisch-beruflich orientierten Rehabilitationsleistungen – Die Bedeutung von eigenständigem Screening und Diagnostik durch die Soziale Arbeit. Bundeskongress der Deutschen Vereinigung für Soziale Arbeit im Gesundheitswesen, Oktober 2013, Münster.
  • http://dvsg.org/fileadmin/dateien/06Veranstaltungen/01DVSG-Bundeskongress/Posterausstellung/PosterPre%DFmann.pdf
  • Preßmann, P.F., Philipp, J., Leibbrand, B., Krohn-Grimberghe, B., Hauck, A. & Bachmann, S. (2013). Funktionsfähigkeit im Beruf nach einer speziellen medizinisch-beruflich orientierten, orthopädischen Rehabilitation bei körperlich tätigen Arbeiterberufen. Zwischenergebnisse einer randomisierten kontrollierten Interventionsstudie. Deutscher Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie zusammen mit dem 12. Deutschen Kongress für Versorgungsforschung, Oktober 2013, Berlin.
  • Preßmann, P.F., Philipp, J., Leibbrand, B., Hauck, A. & Bachmann, S. (2014). Diagnostik und Therapieplanung bei arbeits- und berufsbezogenen Problemlagen in der medizinisch-beruflich orientierten Rehabilitation am Beispiel einer interdisziplinären Teamvisite. 23. Rehabilitationswissenschaftliches Kolloquium, März 2014, Karlsruhe. DRV-Schriften, 103, 68-69.

Ansprechpartner

Philipp F. Preßmann, M.Sc. P.H., Dipl.-Pflegewirt
Institut für Rehabilitationsforschung Norderney
Abteilung Bad Salzuflen (Salzetalklinik)
Alte Vlothoer Straße 1
32105 Bad Salzuflen
pressmann@ifr-norderney.de

Dr. med. Jürgen Philipp
Chefarzt Orthopädie Salzetalklinik und Klinik am Lietholz
Alte Vlothoer Straße 1
32105 Bad Salzuflen
dr.juergen.philipp@drv-bund.de

Dr. med. Birgit Leibbrand
Ärztliche Direktorin Salzetalklinik
Alte Vlothoer Straße 1
32105 Bad Salzuflen
birgit.leibbrand@drv-westfalen.de