Seminar „Berufliche Zukunft“
Rehazentrum Bad Eilsen
Indikation
Orthopädie, Rheumatologie
Ziele
Die Maßnahme ist ein problembezogenes Schulungsprogramm, in dem sozialmedizinische Informationen vermittelt und Fallbeispiele bearbeitet werden sowie eine Auseinandersetzung mit dem eigenen Leistungsbild erfolgen kann. Mittels Information und eines psychoedukativen Zugangs sollen verbliebene Potentiale in Richtung Integration in das Erwerbsleben aktiviert und die Auseinandersetzung mit der sozialmedizinischen Thematik unterstützt werden. Dabei trägt das Behandlungsprogramm dem Informationsdefizit hinsichtlich sozialrechtlicher Grundlagen und Möglichkeiten der Unterstützung zur beruflichen Veränderung Rechnung und greift wesentliche Bedürfnisse der Zielgruppe auf.
Inhalte und Ablauf
Das Schulungsprogramm ist modular aufgebaut und wird in einer geschlossenen Gruppe durchgeführt. Nach ausführlicher Berufsanamnese zu Reha-Beginn erfolgt die Zuweisung anhand vorgegebener Kriterien zum Programm. Das Gruppenangebot umfasst die folgenden Inhalte.
- Modul 1: Einführung („Warming up“)
- Modul 2: Sozialmedizinische Informationen I, Schwerpunkt Erwerbsminderungsrente
- Modul 3: Fallbeispiele
- Modul 4: Sozialmedizinische Informationen II, Schwerpunkt LTA und Berufliche Rehabilitation
- Modul 5: Individuelles Leistungsbild und Abschluss
Vor dem letzten Modul erfolgt eine sozialmedizinische Zwischenvisite. Da die Vorbereitung der individuellen sozialmedizinischen Einschätzung und die Auseinandersetzung damit ein Kernelement der Intervention darstellen, sollte nach der Rückmeldung noch ausreichend Zeit sein, das Ergebnis zu besprechen, dessen individuelle Bedeutung zu erfassen sowie Handlungsmöglichkeiten abzuleiten. Optimal ist deshalb ein komprimierter Ablauf des Programms in der ersten Hälfte der Rehabilitation. Für die Konzeption wurden Bausteine einer sozialmedizinischen Gruppenintervention von Schultze (2005) entlehnt, für die Zielgruppe adaptiert und um Wiedereingliederungsaspekte erweitert (Quelle: siehe Fallbeispiel). Die Maßnahme umfasst insgesamt fünf Module à 60-90 Minuten, integriert in den regulären Rehabilitationsprozess. Auf die Inhalte der einzelnen Module wird im Folgenden näher eingegangen.
Modul 1 – "Warming up“: Schwerpunkt des einleitenden Moduls ist die Vorbereitung der Patienten und Patientinnen auf das Behandlungsprogramm. Die Teilnehmenden lernen sich untereinander kennen, erleben ihre Problematik im sozialen Vergleich und erfahren Verständnis für ihre Situation. Die individuellen berufsbezogenen Problemlagen und Belastungen werden in ein bio-psycho-soziales Modell chronischer Krankheiten eingeordnet und als ein wesentlicher Behandlungsstrang einer Rehabilitation erläutert.
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Beispielfolie aus Modul 1 |
Modul 2 – Sozialmedizinische Informationen I, Schwerpunkt Erwerbsminderungsrente: In diesem Modul werden die verschiedenen Interessen von Sozialversicherungsträgern und Versicherten thematisiert und die gesetzlichen Rahmenbedingungen v.a. im Hinblick auf Erwerbsminderungsrenten erläutert. Zentraler Aspekt ist das Begreifen des Sozialsystems als ein Regelwerk; d. h. die aktuell geltenden Regeln sollen als derzeitiger gesellschaftspolitischer Konsens und handlungsleitend für alle Beteiligten verstanden werden können. Zur Veranschaulichung wird gezeigt, wie eine Erwerbsminderungsrente berechnet wird und wie hoch diese bei mittlerem Einkommen ausfällt.
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Beispielfolie aus Modul 2 |
Modul 3 – Fallbeispiele: Ausgehend von den Aufgaben einer Rehabilitationsklinik im Bereich Therapie und Sozialmedizin werden die sozialmedizinische Einschätzung erläutert und ein Perspektivwechsel unterstützt. Dazu bearbeiten Patienten und Patientinnen in Kleingruppen Fallbeispiele in der Rolle eines Gutachters. Durch den Rollenwechsel und die anschließende ausführliche Diskussion werden die Patienten und Patientinnen angeregt, die eigene Situation vor dem Hintergrund der aktuell gültigen Regeln und gesellschaftlichen Entwicklungen einzuordnen. Speziell dieses Modul bereitet auf die Zwischenvisite mit der vorläufigen sozialmedizinischen Einschätzung vor.
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Arbeitsblatt zum Fallbeispiel 1 in Modul 3 (Ausschnitt) |
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Fallbeispiel aus Modul 3 |
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Beispielfolie aus Modul 3 |
Modul 4 – Sozialmedizinische Informationen II, Schwerpunkt Integration in das Erwerbsleben: Das vierte Modul beinhaltet ausführliche Informationen über von Versicherungsträgern unterstützte Möglichkeiten, den Arbeitsplatz zu erhalten oder – bei Arbeitslosigkeit – einen neuen Arbeitsplatz zu erlangen. Verschiedene Beispiele veranschaulichen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (LTA), von Hilfsmitteln zur Ausstattung des Arbeitsplatzes bis zu Qualifizierungen. Hier werden Voraussetzungen und Zuständigkeiten für LTA besprochen.
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Beispielfolie aus Modul 4 |
Im Anschluss an Modul 4 erfolgt eine Zwischenvisite mit vorläufiger sozialmedizinischer Einschätzung (vgl. Abbildung 1): Die ärztliche Zwischenvisite nach dem vierten Modul stellt ein Kernelement der Intervention dar. Hier werden die Patientensicht und die ärztliche Einschätzung des individuellen Leistungsbildes besprochen. Die vorläufigen Beurteilungen der Arbeitsfähigkeit und des Leistungsvermögens auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt werden vom Arzt schriftlich auf dem eigens dafür entworfenen Formular festgehalten. Die Besonderheit liegt in der frühzeitigen individuellen Rückmeldung der sozialmedizinischen Einschätzung, welche den Patienten und Patientinnen die Möglichkeit gibt, sich noch während der Rehabilitation mit Handlungsalternativen auseinanderzusetzen, insbesondere wenn sich die Hoffnung auf eine vorzeitige Berentung als wenig realistisch herausgestellt hat.
Abbildung 1: Vorläufige sozialmedizinische Einschätzung (Original für Arzt, Durchschläge für Seminarleiter und Patient)
Modul 5 – Individuelles Leistungsbild und Abschluss: Im abschließenden Modul erhalten die Teilnehmenden Gelegenheit, ihr individuelles Leistungsbild im Hinblick auf dessen Konsequenzen zu besprechen. Nach einem Austausch über Konsens und Dissens mit der ärztlichen Einschätzung wird das Hauptaugenmerk darauf gelegt, was die jeweilige Einschätzung der Arbeitsfähigkeit im Einzelfall bedeutet kann. Diskutiert wird, welche Perspektiven sich daraus ableiten lassen können, welche Entscheidungen ggf. anstehen und welche konkreten nächsten Schritte damit verbunden sein können. An dieser Stelle wird das konkrete Verfahren bei LTA erläutert.
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Beispielfolie aus Modul 5 |
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Beispielfolie aus Modul 5 |
Der Ablauf der Maßnahme ist in Abbildung 2 zusammenfassend dargestellt (Anklicken zum vergrößern).
Abbildung 2: Maßnahme „Berufliche Zukunft“ im Rehazentrum Bad Eilsen
Zielgruppe
Die Maßnahme richtet sich an Patienten und Patientinnen mit längeren Arbeitsunfähigkeitszeiten bzw. Arbeitsplatzverlust aus gesundheitlichen Gründen, unsicherer beruflicher Zukunft und sozialmedizinisch relevanter Problemlage (z. B. Rentenwunsch). Sie wird nicht durchgeführt bei Patienten ohne ausreichende Gruppenfähigkeit, ohne ausreichende deutsche Sprachkenntnissen oder bei aufgehobenem Leistungsvermögen.
Beteiligte Berufsgruppen und Ausstattung
Beteiligte Berufsgruppen und Ausstattung. Psychologe und/oder Sozialarbeiter/Sozialpädagoge; Arzt. Es ist keine besondere Ausstattung außer den üblichen Voraussetzungen für therapeutische Gruppen notwendig.
Literatur
Manual zum Programm:
- Bönisch, A. & Dorn, M. unter Mitarbeit von Buschmann, S. & Schwarze, M. (2014). Berufliche Zukunft - Orientierungshilfe zur Erwerbsfähigkeit und Wiedereingliederung - Manual und CD mit Seminarunterlagen. Regensburg: S. Roderer Verlag.
Artikel:
- Bönisch, A., Dorn, M. & Ehlebracht-König, I. (2012) "Berufliche Zukunft" - Kurzzeiteffekte eines Behandlungsprogramms bei sozialmedizinisch relevanter Problemlage im Verlauf einer medizinischen Rehabilitation. Die Rehabilitation, 51, 39–51.
- Dorn, M. Bönisch, A. & Ehlebracht-König, I. (2011). "Berufliche Zukunft" – Konzept und Akzeptanz eines Behandlungsprogramms bei sozialmedizinisch relevanter beruflicher Problemlage. Die Rehabilitation, 50, 40-56.
Vorträge:
- Bönisch, A., Dorn, M& Ehlebracht-König, I. (2008). Evaluation des psychoedukativen Seminars „Berufliche Zukunft“ bei sozialmedizinischer Problematik in der medizinischen Rehabilitation – erste Ergebnisse. Vortrag beim Werkstattgespräch der Koordinierungsstelle für Rehabilitationsforschung, 22.07.2008. Verfügbar unter: www.mh-hannover.de
- Bönisch, A., Dorn, M. & Ehlebracht-König, I. (2009) "Berufliche Zukunft" – Zwischenergebnisse zur Evaluation eines Behandlungsprogramms für Patienten mit beruflicher Problemlage in der medizinischen Rehabilitation. Vortrag, 18. Rehabilitationswissenschaftliches Kolloquium, März 2009, Münster. DRV-Schriften, 83, 56-57. Verfügbar unter: forschung.deutsche-rentenversicherung.de
- Bönisch, A., Dorn, M. & Ehlebracht-König, I. (2010). "Berufliche Zukunft" – ein Behandlungsprogramm für Patienten mit beruflicher Problemlage: Ergebnisse der 6-Monatskatamnese. Vortrag, 19. Rehabilitationswissenschaftliches Kolloquium, März 2010, Leipzig. DRV-Schriften, 88, 263-264.
- Dorn, M., Bönisch, A. & Ehlebracht-König, I. (2006). "Berufliche Zukunft" - ein Seminarangebot für Patientinnen und Patienten mit sozialmedizinischer Problematik in der medizinischen Rehabilitation. Vortrag anlässlich des Hannoverschen Werkstattgesprächs Rehabilitation der Koordinierungsstelle für angewandte Rehabilitationsforschung, 24.10.2006. Verfügbar unter: www.mh-hannover.de
- Dorn, M., Bönisch, A. & Ehlebracht-König, I. (2009). „Berufliche Zukunft“ – Psychoedukatives Seminar bei sozialmedizinischer Problematik in der medizinischen Rehabilitation. Rehawissenschaftliches Seminar Würzburg, 14.01.2009. Verfügbar unter: www.psychotherapie.uni-wuerzburg.de
Ansprechpartner
Angelika Bönisch (Dipl.-Psychologin)
angelika.boenisch@rehazentrum-bad-eilsen.de
Monika Dorn (Dipl.-Psychologin)
monika.dorn@rehazentrum-bad-eilsen.de
Dr. Inge Ehlebracht-König (Ärztliche Direktorin)
inge.ehlebracht-Koenig@rehazentrum-bad-eilsen.de
Rehazentrum Bad Eilsen
Brunnenpromenade 2
31707 Bad Eilsen
http://www.rz-bad-eilsen.de